• Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

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Über den Titel

Vorwort
Vor einigen Jahren hatte ich einen Traum von einem lebendigen Funken weißen Feuers im Zentrum jeder Zelle meines Körpers – ein Kern von Energie. Und je heller er aufleuchtete, desto mehr beschleunigte er weitere Zellfunken, sowohl in meinem Körper als auch im Körper anderer. Und ich erkannte, dass dieses weiße Feuer zutiefst verwandt und in Resonanz war mit dem Licht des Universums, mit Sonne – Mond – und Sternen. Voller Staunen schaute ich und da flammten eine energetische Resonanz und ein heiliger Sturm auf zwischen den Funken in meinen Körperzellen und dem Blinken der Sterne.
Ich erwachte mit dem Gefühl, ein großes Geschenk erhalten zu haben.
Thomas Yeomans

Dieses Buch handelt von menschlicher Schönheit – der tiefen Schönheit der Seele und davon, wie sie in unserem Innern nach und nach an die Oberfläche steigt und erstrahlt. Es geht um den Prozess, durch den dieses Auftauchen zustande kommt, und um die Wechselfälle der Reise, auf die wir uns begeben, um auf diese Weise Erfüllung zu erfahren. Dies ist ein Bericht über circa 50 Jahre der Tätigkeit, des Lernens und der Erfahrung in der Arbeit mit Menschen, um sie bei der Geburt und der Reise ihrer Seele im Leben zu unterstützen, und eine Reflexion meiner eigenen Erfahrungen mit dieser Geburt, dieser Reise und den dazugehörigen Erfahrungen, welche mich zu einem klareren und tieferen Verständnis des Prozesses geführt haben.
Der Titel Holy Fire – Heiliges Feuer evoziert die Erfahrung reinen Lebendigseins und purer Lebenskraft, die ich heute als den Kern der menschlichen Seele begreife. Es ist dieses weiße Feuer, so glaube ich, das wir im Laufe unseres Lebens wissentlich oder unwissentlich zu finden und auszudrücken suchen. Und unsere Lebensreise ist der Prozess, durch den wir uns zu diesem feurigen Lebendigsein hinbewegen. Die Welt unterstützt und behindert, wie ich aufzeigen werde, diesen lebendigen Prozess und so wird unser tägliches Leben auf der Erde zu dem Gebiet, durch das wir uns hindurchbewegen, um zu lernen, mit den Hindernissen umzugehen und das Feuer in uns zu nähren.
Dieses Feuer verzehrt und zerstört nicht. Es ist vielmehr ein Feuer, das die eigene Erfahrung und das latent vorhandene und aktuell benötigte Lernen beleuchtet. Es ist ein weißes Feuer, so wie in meinem Traum; es weckt und transformiert unser Bewusstsein. Es mag einem so vorkommen, als käme es von außen oder als wäre es das Resultat bestimmter Ereignisse, aber im Grunde steigt es immer aus dem eigenen Innern auf, aus jeder Zelle des Körpers und des Seins – ein Funke der Kraft und Lebendigkeit, das Bewusstsein schärfend und weitend und dazu aufrufend, tiefer in das uns gegebene Leben einzutauchen. Und es ist dieses Feuer, so glaube ich, das uns, in einem lebendigen Universum, mit allen anderen Wesen verbindet.
Der Untertitel Der Prozess des Erwachens der Seele verweist darauf, dass spirituelles Erwachen und spirituelles Reifen eher ein Prozess denn ein Moment der Offenbarung ist – ein schrittweises Aufdämmern der wahren Natur unseres Seins und der Welt in unserem Bewusstsein. Er zeigt an, dass man den Prozess des Seelenerwachens in Phasen oder Facetten differenzieren und auf diese Weise ein besseres Gefühl dafür entwickeln kann, an welcher Stelle des Prozesses man sich gerade befindet. Auch deutet er auf die Möglichkeit hin, psychospirituelle Praktiken zu entwickeln, die diesen Prozess an unterschiedlichen, spezifischen Punkten unterstützen können und so ausgelegt sind, dass sie uns bei den besonderen Herausforderungen dieser verschiedenen Phasen helfen. Und schließlich platziert er die Seele mitten in die Dynamik der menschlichen Entwicklung und Reife hinein und postuliert, dass die Erfahrung der Seele sich im Verlauf einer Lebensspanne verändert. Diese Sichtweise besagt, dass eine Aufgabe und Chance, die wir als Menschen haben, darin besteht, „zu lernen als Seele auf der Erde zu leben“, unser heiliges Feuer voll und ganz zu verkörpern, ihm Ausdruck zu verleihen, und dass dies schrittweise, durch einen Prozess des Seelenerwachens geschieht, den wir studieren und bewusst unterstützen können.
Holy Fire wurde von mir in der Absicht geschrieben, meine Mitmenschen zu einer weiteren Erkundung und Erforschung der menschlichen Seele und ihrer Reise auf der Erde zu inspirieren und zu ermutigen. Ich möchte, dass das Buch den ernsthaft Suchenden einen Eindruck und ein Gefühl für das Gebiet der Seele und den Prozess des Seelenerwachens vermittelt. Auch hoffe ich, damit Praktizierenden und Fachleuten praktische Wege aufzuzeigen, wie sie in ihren Klienten und sich selbst den Seelenprozess verstehen und unterstützen können. Und schließlich versuche ich, eine Verbindung herzustellen zwischen der individuellen Seelenarbeit und den Myriaden von Problemen, denen wir als Spezies aktuell auf dem Planeten gegenüberstehen, und sie als eine von vielen Möglichkeiten vorzustellen, die helfen könnte, unsere Art des Lebens auf der Erde zu heilen und zu transformieren.
Als Erstes muss ich gestehen, dass dieses Unternehmen ein heraus­forderndes ist, bei dem ich riskiere, die Wege der Seele nicht ausreichend klar darzustellen. Das hat damit zu tun, dass diese Erfahrung an sich von ihrer Natur her unbeschreibbar und zutiefst geheimnisvoll ist und für jeden Menschen etwas sehr persönliches und einzigartiges ist. Die Seele unterwirft sich in keiner Weise einer vorhersagbaren Ordnung oder einem Dogma und ist in ihrer Essenz „wild“. Mit den Jahren habe ich herausgefunden, dass es sich bei dem Prozess des Seelenerwachens um einen außergewöhnlich komplexen Prozess mit zahlreichen Dimensionen und Herausforderungen handelt, der sich einem einfachen Verständnis entzieht. Auch der Rückblick ist oft verschwommen und selten weiß man genau, wohin man geht.
Gleichwohl habe ich festgestellt, dass der bewusste Seelenprozess die Mühe lohnt und dass es verlässliche Prinzipien und Muster gibt. Wieder und wieder habe ich beobachtet, wie diese Arbeit mit der Zeit ein tief empfundenes Gefühl für das eigene, einzigartige Selbst hervorruft, es stärkt, wie auch die tiefe Erfahrung der inneren Verbindung mit anderen Menschen und dem LEBEN – das sind Früchte, die diese Mühe sehr wohl wert sind. Und ich habe wiederholt miterlebt, wie dieser Seelenprozess arbeitet, um, in seiner Zeit, die tiefe Schönheit der Seele und ein immer heller brennendes heiliges Feuer auf die Welt zu bringen.
Holy Fire ist kein akademisches Werk. Obwohl es auf Jahrzehnten beruflicher Arbeit und persönlicher Erfahrung mit der Seele beruht, verfolgt es die Absicht, diejenigen zu inspirieren und zu informieren, deren Interessen und Bedürfnisse auf die Natur der Seele und die Seelenreise ausgerichtet sind, und weniger, sie zu unterrichten. Ich verstehe dieses Buch mehr als einen Erfahrungsbericht denn als Analyse, und ich habe es aus der Perspektive des Praktizierenden und Künstlers geschrieben, der ich in diesen Jahren mehr war als der Akademiker, zu dem ich ausgebildet wurde. Unter dieser Prämisse sind einige meiner Gedichte und Bilder eingeflossen, wie auch Texte und Diagramme, um die vielfältigen Perspektiven auf die Seele und die Reise ihres Erwachens aufzuzeigen. Teil 2 beinhaltet Übungsbeispiele, die sich bei der Umsetzung der einzelnen Punkte der Seelenprozessarbeit als hilfreich erweisen können. Auch habe ich im ganzen Buch Erfahrungen aus meinem eigenen Leben, meiner eigenen Reise in dem Maße, wie sie für die Seelenerfahrung relevant sind, geteilt. In diesem Sinn ist das Buch zum Teil auch eine spirituelle Autobiographie.
Sie werden feststellen, dass ich bestimmte Ideen im Verlauf des Buches wiederhole. Das ist Absicht, denn es braucht Zeit, alles einsinken zu lassen, und ich finde es hilfreich, eine Idee aus einer anderen Perspektive neu aufzugreifen. Die Gedanken und Erfahrungen formen daher eher eine Spirale als eine lineare Abfolge. Auch das ist Absicht, weil ich festgestellt habe, dass die Seele in dieser Art und Weise auf unser Erwachen hinarbeitet. Auch habe ich nicht mit Fußnoten oder Quellenangaben gearbeitet, noch ein bibliographisches Verzeichnis angefügt. Das habe ich bewusst so entschieden, um den Ton der Texte informell und einem Gespräch ähnlich zu halten, denn ich denke, dass dies die Wirkung, die ich mit dem Buch erzielen möchte, am besten unterstützen wird.2
Was ich herausgefunden habe, ist notwendigerweise unvollständig und provisorisch, denn die Wechselfälle der Seelenreise können niemals vollständig erfasst werden und wir fangen gerade erst an, herauszufinden, wie die Seele im Menschen „arbeitet“. Meine Erkenntnisse könnten anderen auf ihrer Suche, so wie mir auf der meinen, nützlich sein und in diesem Geiste der fortgesetzten Erforschung trage ich sie hier zusammen.

Der Anfang
In gewisser Weise hatte ich keine andere Wahl, als diesen Weg einzuschlagen, denn diese Arbeit kam in einer Kirche in Florenz, Italien, zu mir, als ich am wenigsten danach Ausschau hielt. Seither ist das meine persönliche Suche und berufliche Berufung. Es geschah folgendermaßen: Im Juli 1960, im Alter von 19 Jahren, reiste ich durch Italien und fand mich eines Tages in Florenz in der Kirche Santa Maria Novella, die sich gegenüber vom Bahnhof befindet, wieder. In den davorliegenden Wochen war in mir eine Frage aufgestiegen und hier entfaltete sie sich. Zu jener Zeit setzte ich mich mit der wahren Natur Jesu Christi auseinander. Damals formulierte ich es so: „Wenn er Ausdruck des vollständigen menschlichen Wesens ist, tief verbunden mit dem Göttlichen wie auch mit der Erde, dann kann ich mein Leben nach seinem Vorbild gestalten. Wenn er halb menschlich und halb göttlich ist, ein Halbgott, dann kann ich es nicht.“ Ich verbrachte viele Stunden in der Kirche, während meine Freunde, die draußen vor der Kirche auf mich warteten, mich für ein bisschen verrückt hielten, weil ich herausfinden oder entscheiden musste, was für mich wahr ist. Nach sehr tiefem Reflektieren wählte ich schließlich das ganz und gar menschliche Wesen, er war ein Mensch, so wie ich und als ich die Kirche verließ, war ich entschlossen zu lernen, dem gemäß zu leben. Diese Entscheidung hat den Lauf meines Lebens bestimmt. Heute sehe ich es so, dass ich damals zum ersten Mal den Ruf meiner Seele hörte, aber als es geschah, hatte ich keine Ahnung, was wirklich passiert war. Ich wusste nur: Dieser vollkommen menschliche Christus ist für mich wahr.
In jenem Herbst kehrte ich aufs College zurück und schrieb mich durch Zufall in einen 2-Jahres-Kurs von Reverend Paul Tillich ein, einem der größten protestantischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Der Kurstitel lautete: „Die Selbst-Interpretation des Menschen im Denken des Westens“. Jedes Semester war einer anderen Zeit der westlichen Geschichte gewidmet: Klassisches Griechenland, hellenistische Periode, Mittelalter und Moderne. Es war ein sehr großer Kurs mit 700 Studenten, und Reverend Tillich hielt die Vorlesung über die unterschiedlichen Themen vom Podium aus in einer Mischung aus Englisch, Deutsch und Altgriechisch. Die Breite und Tiefe seines Verständnisses war überwältigend und auf der Basis seiner Gelehrsamkeit stellte er in den Mittelpunkt jeder Periode die Frage „Wer sind wir? Wer ist der Mensch und was sind unsere Fähigkeiten?“. Jede Ära hatte versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden und er präsentierte uns die jeweiligen Antworten.
Am meisten fiel mir auf, dass die Moderne seiner Meinung nach noch keine Antwort hatte. Am Ende meiner handschriftlichen Notizen steht:

Wir haben noch kein definiertes Telos (altgriechisch für „Ausgang“ oder „Ende“). Wir formulieren noch. Wir befinden uns alle in der Situation des Arbeitens und Wartens. Warten ist die höchste Spannung. Halte dich im „trotzdem“, bis ein Telos gefunden ist. Das erfordert Mut und Vertrauen. Umarme die Unsicherheit. Bleibe offen. Erzwinge nicht vorzeitig eine Antwort. Kehre nicht zu der alten Antwort zurück. Lass alles los, was du zu wissen glaubst, und mach dich auf die Suche.

„Lass alles los, was du zu wissen glaubst, und mach dich auf die Suche.“ Für mein jugendliches Denken klang dieser Satz sehr wahr, und der Kurs war für mich eine ungeheure Ermutigung, der Frage, wer wir in der Moderne und Postmoderne sind und wer wir sein können, weiter nachzugehen.
Ich kam immer sehr cool auf dem Motorrad zum College gefahren, aber am Ende dieser Vorlesungen hatte ich oft Tränen in den Augen, so tief berührten mich diese Suche und die Frage. Im Rückblick ist mir klar, dass der Kurs mich deshalb so sehr beeindruckte, weil er auf meiner Erfahrung in Florenz aufbaute, den Kontext jedoch über den rein christlichen hinaus erweiterte. In diesen abschließenden Jahren am College wurde mir bewusst, dass Philosophen, Künstler und Theologen diese Frage gestellt hatten und sie auch weiterhin stellten. Dies war tatsächlich eine Frage, die alle Menschen anging, und sie berührte mich tief in meinem Innern – in meiner Seele, würde ich heute sagen. Heute weiß ich, dass meine Tränen aus der Seelenberührung herrührten und aus dem Ruf, der Frage „wer wir sind und wer wir sein könnten“ weiter nachzugehen – einer Frage, die Kern meiner eigenen persönlichen Reise und beruflichen Arbeit sein würde. Um ehrlich zu sein, hatte ich zu jener Zeit nicht den Schimmer einer Ahnung. Nach diesen inspirierenden Vorlesungen stieg ich wieder auf mein Motorrad, am liebsten mit einer Mitstudentin als Sozius, und war wieder ganz der coole Student.
Einige Jahre nach meinem Collegeabschluss richtete eine alte Großtante ihren stählernen Blick auf mich und sagte: „Tom, ich habe Sorge, dass du niemals zur Ruhe kommst.“ Sehr viel später fragte mich mein Vater etwas verwundert: „Warum hast du immer wieder gewechselt, vor allem, wo du doch in jedem Beruf so gut warst?“ Und kurz nach dem Collegeabschluss meinte ein Freund und Mitstudent die Augen verdrehend: „Jede Menge Grips und null Ehrgeiz.“ Es ist richtig, dass ich in den Jahren nach dem College das, wonach ich suchte, noch nicht gefunden hatte. Ich war rastlos. Es stimmt nicht, dass ich keinen Ehrgeiz hatte. Es lag nicht an mir. Ich musste noch die richtigen Ideen finden, um mit ihnen arbeiten zu können. Ich weiß noch, wie ich damals zu einem Freund sagte: „Ich möchte an etwas arbeiten, dass so gewöhnlich wie ein Dosenöffner, aber für den Menschen von universellem Nutzen ist.“Darauf richtete sich mein Ehrgeiz. Das trieb mich an. Nur wusste ich den genauen Wortlaut meiner Frage nicht und wie ich die Form finden sollte, mit deren Hilfe ich sie erforschen könnte. Dafür brauchte ich weitere zehn Jahre.
In meinen Zwanzigern begann ich, ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein, in unterschiedlichen Fachbereichen der Frage „wer wir sind und wer wir sein könnten“ nachzugehen. Im College befasste ich mich mit klassischer Philologie, Schwerpunkt Altgriechisch, und schrieb meine Abschlussarbeit über die Thebanische Trilogie von Sophokles3, die sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt, wer der Mensch ist und wer er sein kann. Im darauffolgenden Jahr studierte ich Philosophie, Politik und Wirtschaftswissenschaften in England. Nach zwei Jahren als Lehrer an der High School und einem Jahr Tätigkeit in einer städtischen Gemeinde kehrte ich an die Universität zurück, studierte ein Semester Anthropologie an der Berkeley University of California, wechselte zu Vergleichender Literaturwissenschaft und machte meinen Master – und all das war Teil meiner Suche. Und immer noch war ich nicht angekommen. Ich verließ Berkeley und machte einen Doktor in Humanistischer Psychologie und Erziehungswissenschaft an der Santa Barbara University of California. Zu jener Zeit war ich nämlich auf Carl Gustav Jung und die Humanistische Psychologie gestoßen, insbesondere auf die Schriften von Abraham Maslow und Carl Rogers. Und ich hatte das sich damals explosionsartig entwickelnde Human Potential Movement des Esalen Instituts entdeckt, wie auch andere Wachstumszentren in Nordamerika. Nach einem Ausbildungswochenende in Big Sur kam ich nach Hause und sagte noch in der Tür zu meiner Frau Anne: „Ich glaube, ich habe meine Aufgabe gefunden.“ Ich hatte mich den Mitteln, mit denen ich meine Lebensfrage verfolgen konnte, genähert.
Während der Arbeit an meinem Doktortitel (Ph.D.) las ich zufällig Roberto Assagiolis Buch Psychosynthese und begann kurz darauf, Kurse über diesen psychologischen Ansatz der menschlichen Entwicklung zu belegen – einen Ansatz, der die Seele oder das, was er das „Höhere Selbst“ nannte, mit einbezog. Ich spürte, dass das Ziel meiner Suche in Reichweite kam, und war begeistert. Mit Dreißig, mein Vater hatte damals schon lange aufgehört zu glauben, dass ich beruflich je zur Ruhe käme, wurde ich erstmals tätig in dieser „Schule“ der Psychologie und Psychosynthese, die eingebettet war in den größeren Rahmen der existenzialistischen, humanistischen und transpersonalen Psychologie. Endlich hatte ich ein Mittel für meinen Zweck gefunden.
Anstelle von Theologie, Anthropologie oder Literatur entschied ich mich für Psychologie als Medium zur Erforschung meiner Frage und war in den folgenden zwanzig Jahren als Therapeut, Lehrer, Trainer und Schriftsteller mit und in der Psychosynthese tätig. Mit Fünfzig prägte ich den Begriff „Spirituelle Psychologie“, denn ich hatte damals den Eindruck, die Psychosynthese sei in einigen Aspekten begrenzt, und ging meiner Suche unter diesem Oberbegriff weiter nach. Im selben Jahr, 1990, gründete ich das Concord Institut in Concord, Massachusetts, wohin wir in den Achtzigern umgesiedelt waren, und leitete unter dieser Ägide berufliche Ausbildungsprogramme für Einzel- und schließlich auch für Gruppenarbeit. Auch unterrichtete ich Psychosynthese und Spirituelle Psychologie in weiten Teilen Nordamerikas und Europas. In den Neunzigern unterstützte ich einen holländischen Kollegen bei der Gründung eines Instituts für Krebsforschung im holländischen Amsterdam und gründete zusammen mit einer Gruppe russischer Psychologen in St. Petersburg ein Institut für Postgraduate Training, das auf diesen Ansätzen basierte.
Während dieses mittleren Abschnitts meines Lebens expandierte meine berufliche Arbeit sehr stark, blieb jedoch immer fokussiert auf die Frage, „wer wir sind und wer wir sein könnten“. Damals erforschte ich sie auch durch das Schreiben von Gedichten und veröffentlichte mit der Zeit drei Gedichtbände. Mit Vierzig fing ich an zu malen und auch das Malen war ein Medium, um meiner Frage weiter nachzugehen. Und ich griff auf meine eigene kulturelle Tradition zurück, die Schriften von Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau, und was mich sehr berührte, die Schriften meines Großvaters Edward Yeomans Senior, der auf seine Weise ein progressiver Erzieher war und sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt hatte, „wer wir sind und wer wir sein könnten“.

Seelenpsychologie
Die Sprache, Prinzipien und Praxis der Psychologie wurden zum Mittel meiner Forschung und in eben dieser Sprache ist dieses Buch geschrieben. Vorbedingung dafür war eine kulturelle und intellektuelle Verschiebung in dem Verhältnis zwischen Religion und Spiritualität in den vergangenen Jahrzehnten, wodurch es möglich wurde, eine spirituelle Erfahrung zu beschreiben, ohne auf eine religiöse Form der Erklärung oder Verdeutlichung zurückzugreifen. Und daraus resultierte, dass man die säkulare Disziplin der Psychologie benutzen konnte, um eine spirituelle Erfahrung zu unterstützen und zu verdeutlichen. Säkulare Fachleute waren nun in der Lage, mit dieser Erfahrungsdimension ihrer Patienten und Klienten zu arbeiten.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Carl Gustav Jung ein Pionier dieser Verschiebung, wie auch Roberto Assagioli, und viele folgten ihnen in den Sechzigern nach. Die Psychologie der vierten Kraft, manchmal auch bezeichnet als „Transpersonale Psychologie“, entstand aus dieser tiefgreifenden Figur-Grund-Verschiebung4 und hat es mir und unzähligen anderen ermöglicht, in einem säkular existenziellen und erfahrbaren Kontext mit der Seele zu arbeiten und psychologisches Denken und psychologische Praktiken so zu erweitern, dass sie diese tiefe Dimension der menschlichen Erfahrung mit einschließen.

Jetzt
Mein Leben war der Erforschung und der Suche nach der Antwort auf die Frage, „wer wir sind und wer wir sein könnten“, gewidmet. Dieses Buch enthält viel von dem, was ich gelernt habe, als ich dieser Frage überallhin nachging, ins Helle wie ins Dunkle, wo auch immer sie mich hinführte. Ich habe keine Ahnung, warum sie auf die Weise zu mir kam, wie sie es getan hat, und zu einem organisierenden Prinzip meines Lebens wurde, aber sie ist zu mir gekommen und sie ist geblieben. Und mit der Zeit wurde mir die Frage klar, sodass ich ihr bewusst und gezielt nachgehen konnte. Holy Fire ist ein Ergebnis all der Zeit und all meiner Bestrebungen seit den Sechzigern… mit unglaublich vielen Menschen aus vielen Ländern, die so den Rahmen der Psychologie erweiterten und vertieften. Ich werde ihnen ewig dankbar sein, den genannten wie den ungenannten. Viele, viele Lehrer, Schriftsteller und Künstler haben mich auf diesem Weg unterstützt und finden im Buch auf unterschiedliche Weise Erwähnung. Ohne sie wäre ich nicht, wo ich bin.
Gleichzeitig stehe ich letztendlich mit meiner eigenen Erfahrung, meiner eigenen Autorität hier, mit dem, was ich gelernt und verstanden habe in Bezug auf die Seele und den Prozess des Seelenerwachens. In dem Wissen, dass Sie, die Leser, das nehmen werden, was Ihnen nützlich ist, und den Rest loslassen, übernehme ich gerne die Verantwortung dafür. Ich bin erstaunt und dankbar, dass mein Leben mich in diese Richtungen geführt hat und dass ich das, was ich heute weiß, mit Ihnen teilen darf. Und ich hoffe, meiner Suche noch viele Jahre nachgehen zu können.
Bitte beachten Sie, dass ich in diesem Buch spezielle Worte verwende, da sie der von mir beschriebenen Erfahrung am nächsten zu kommen scheinen; auch benutze ich spezielle Ideen, Konzepte und Praktiken, weil sie mir das Mysterium der Seele am effektivsten zu erhellen scheinen. Aber sie sind nicht DIE ANTWORT und für manch einen mögen sie ganz und gar nicht hilfreich sein. Für mich waren sie nützlich und darum teile ich sie hier und hoffe natürlich, dass sie es auch für andere sind. Die Zeit wird es weisen.

Frage und Suche
Die Frage, die in der Kirche in Florenz zum ersten Mal in mir auftauchte, deren Ruf ich zeitlebens nachging und über die ich auch heute noch nachsinne, lautet: „Wer sind wir im Grunde unseres menschlichen Wesens und wer können wir werden?“ In den Worten von Paul Tillich, wie ich sie beim ersten Mal hörte: „Was ist die Selbstinterpretation des menschlichen Wesens in der Ära der Moderne und Postmoderne?“ Wie versteht der Mensch seine wahre Natur und wie unterstützt und nährt er diese Natur am besten bis hin zur vollen Reife? Alles in diesem Buch ist Antwort auf diese Frage und Teil meiner lebenslangen Suche und der Reise, auf die ich mich begeben habe, um zu sehen, was ich herausfinden kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Frage und meine Suche und damit meine Aufgabe mir so früh im Leben zuteilwurden und dass ich ihr gefolgt bin. Heute, in meinen späten Siebzigern, kann ich erkennen, dass es tatsächlich mir bestimmt war, sie zu leben und zu erforschen… alles loslassend, was ich zu wissen glaubte und mich auf die Suche machend, und ich bin zutiefst dankbar für dieses unerwartete Geschenk.

Eigenschaften

Bindung Hardcover
Abmessungen (BxH): 145 x210 mm
Erscheinungsdatum: 31.12.2021

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